Estlands Hauptstadt Tallinn ist eine der fortschrittlichsten Smart Cities der Welt. Die Stadt an der Ostsee ist zugleich das kulturelle Zentrum Estlands und verfügt über eine wunderschöne ummauerte Altstadt mit dem berühmten Wehrturm Kiek in de Kök. Zahlreiche Cafés und Geschäfte, kopfsteingepflasterte Straßen, ein gotisches Rathaus und eine Kirche aus dem 13. Jahrhundert machen Tallinn zu einer einzigartigen und historischen Stadt. Aber woher kommt der Titel einer digitalen Stadt? Erfahren Sie mehr über E-Governance und andere Innovationen in der estnischen Stadt!
Tallinn ist ein globales Modell für intelligente Städte in Europa und darüber hinaus. Das ist auf den ersten Blick vielleicht verwunderlich, denn nach dem Zusammenbruch der UdSSR und einem groß angelegten Cyberangriff im Jahr 2007 hatte das ganze Land zu kämpfen. Es suchte nach Wegen, sich neu zu erfinden. Mit dem estnischen Smart-City-Cluster, das sich auf die Digitalisierung konzentriert, war eine großartige Antwort gefunden. Heute haben 85 % der estnischen Bevölkerung einen Breitbandanschluss, 100 % der ärztlichen Verschreibungen werden online ausgestellt, und 30 % der Bürger*innen wählen elektronisch. 98 % aller Est*innen besitzen einen digitalen Personalausweis, der mit einem PIN-Code versehen und für viele Transaktionen - von der Bank über den Einzelhandel bis zum Verkehr - unerlässlich ist. Nur Heirats-, Scheidungs- und Immobilienkreditverträge sind von der allgegenwärtigen elektronischen Unterschrift ausgenommen.
Die drei Schlüssel zur Schaffung eines intelligenten urbanen Estlands sind Zugänglichkeit, Interoperabilität und Benutzerfreundlichkeit, was bedeutet, dass die Nutzer*innen immer im Mittelpunkt stehen. Tallinn ist eine intelligente und digitale Stadt, die es geschafft hat, sowohl ihre städtische als auch ihre digitale Landschaft zu entwickeln. Sowohl die gesamte Nation als auch die Hauptstadt arbeiten daran, effiziente und bequeme digitale Dienste für Bürger*innen, Besucher*innen und Unternehmen anzubieten. Dazu gehören eine gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch, die Integration des nationalen e-ID-Systems in Authentifizierungsmechanismen und Innovationen in anderen Bereichen wie dem Verkehr, der in Tallinn seit 2013 (für Einwohner*innen) kostenlos ist. Das Ziel der Stadt für die urbane Mobilität besagt, dass alle in der Lage sein sollten, wichtige Orte innerhalb von 15 Minuten mit öffentlichen oder aktiven Verkehrsmitteln zu erreichen.
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Für Tallinn bedeutet intelligent sein, gute digitale Dienstleistungen durch effektive IT-Lösungen anzubieten. Damit diese Technologien jedoch funktionieren, müssen die Bürger*innen willens und fähig sein, sie zu nutzen. Daher schließt der Begriff der „smart city“ für Tallinn stets auch den Nutzen für die Öffentlichkeit ein. Tallinn ist eine sehr digitalisierte Stadt mit viel kostenlosem WiFi, elektronischen Diensten und offenen Daten. In den letzten Jahren hat sich die estnische Hauptstadt mit dieser Infrastruktur darauf konzentriert, die Menschen stärker in den Planungsprozess einzubeziehen, um ihn intelligenter und integrativer zu gestalten.
Um die Bürger*innen in den Entscheidungsfindungs- und Stadtplanungsprozess einzubeziehen, setzt die Stadt Tallinn in einem ersten Schritt Umfragen und Erhebungen ein. Dies hilft dabei, die Meinung und die Bedürfnisse der Öffentlichkeit zu ermitteln. Im Rahmen eines speziellen Investitionsprogramms können die Bürger*innen darüber abstimmen, wofür Teile des städtischen Haushalts verwendet werden. Seit ein paar Jahren gibt es ein Planungsregister, das die Stadtplanung digitaler und öffentlicher macht. Die Bürgerinnen und Bürger können Benachrichtigungen über bestimmte Gebiete erhalten, Vorschläge und Rückmeldungen zu architektonischen Zeichnungen und Blockplänen übermitteln und mit städtischen Beamt*innen kommunizieren.
Das digitale Beteiligungsinstrument AvaLinn ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Tallinn seine E-Governance verbessert. Diese mobile Anwendung dient als Co-Creation-Tool, um Feedback und Ideen für die Raumplanung und neue Entwicklungen von den Bürger*innen einzuholen. Die Idee besteht darin, die sie dazu aufzufordern, ihre Sichtweise mitzuteilen und ihre aktive Beteiligung zu fördern.
Zu den weiteren wichtigen elektronischen Diensten in Tallinn gehören Mobil- und Webanwendungen des öffentlichen Nahverkehrs, eine App für Verkehrskameras, die Informationen über Staus liefert, und die offizielle Webkarte von Tallinn, die Informationen über Entwicklungen im Stadtraum zeigt. Insgesamt verfügt die Stadt über 86 vollständig digitale elektronische Dienste, darunter die Beantragung von einmaligem Geburtsgeld, die Übermittlung von Anfragen an Archive und Verwaltungsbibliotheken, die Unterstützung von Unternehmern und gemeinnützigen Organisationen sowie die Beantragung von Lizenzen und Genehmigungen.
Viele hundert weitere Dienstleistungen werden derzeit digitalisiert, wobei die Stadt das Ziel verfolgt, vollständig digital zu werden. In der künftigen digitalen Stadt Tallinn werden die Bürgerinnen und Bürger ihre gewünschten Dienstleistungen ausschließlich über elektronische Kanäle beantragen und in Anspruch nehmen können. Das nächste Ziel besteht darin, die Stadtplanung intelligenter zu gestalten und so viele offene Daten wie möglich zu nutzen, wobei neue Technologien wie virtuelle und erweiterte Realität zum Einsatz kommen sollen.
Im Jahr 2020 wurde Tallinn vom Intelligent Community Forum zur intelligenten Gemeinde des Jahres gewählt. Die Stadt punktete nicht nur mit ihren digitalen Fortschritten, sondern auch mit ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit: Sie gehört zu den fünf Ländern mit der saubersten Luft der Welt. Tallinn ist bekannt für seine vielen Bäume im städtischen Raum. Schon seit dem 13. Jahrhundert engagiert sich die Stadt für den Umweltschutz. Mit zahlreichen Nachhaltigkeitsstrategien will die estnische Hauptstadt bis 2025 einen emissionsfreien Verkehr erreichen. Im selben Jahr gehörte Tallinn zu den vier Anwärtern auf den Titel der Grünen Hauptstadt Europas, was zu einer neuen Identität als Green Global City führte. Im Jahr 2023 feierte die estnische Hauptstadt ihr EU-Jahr der Grünen Hauptstadt mit den Schwerpunkten biologische Vielfalt, nachhaltige Regierungsführung, Klima und grüne Innovation. Dazu gehörten Umweltaktivitäten für Einwohner*innen und Tourist*innen sowie die Festlegung von Nachhaltigkeitszielen mit anderen europäischen Städten. Eine der Innovationen ist ein Schneeräum- und Straßenreinigungsroboter.
Die ehrgeizige Entwicklungsstrategie „Tallinn 2035“ behandelt Herausforderungen wie CO2-Neutralität, Anpassung an den Klimawandel, Innovation, Gesundheit, Mobilität, biologische Vielfalt, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Energie und Lebensmittelproduktion. Um die Artenvielfalt in der Stadt zu erhöhen, hat Tallinn GoGreenRoutes als Orte geschaffen, an denen die Bürger*innen gemeinsam an naturbasierten Lösungen und städtischen Gärten arbeiten können. Eine 13 Kilometer lange „Pollinator Route“ verknüpft Wiesen und Grünflächen, um die Artenvielfalt zu fördern. Außerdem werden Systeme zur Regenwasserbewirtschaftung, Straßensanierungen, Versuche mit selbstfahrenden Bussen und Maßnahmen zur Integration der städtischen Vegetation in die Stadtplanung entwickelt, um Tallinn weiter in eine nachhaltige Stadt der Zukunft zu verwandeln.
Die Bemühungen Tallinns bleiben nicht unbemerkt: Im Jahr 2023 wurde die Stadt in den IMD Smart City Index Report aufgenommen, der vom Smart City Observatory des International Institute for Management Development durchgeführt wird. Die Expert*innen platzieren Tallinn auf Rang 32 von 140 Städten - ein leichter Rückgang gegenüber Rang 24 im Jahr 2021, aber eine Verbesserung gegenüber 2020 (Rang 39). Dieses Ranking unterstreicht Tallinns Fokus auf humane Merkmale in der Smart City, zu denen Lebensqualität, Umwelt und Inklusion gehören. Aus den Fragebögen und Umfragen des IMD geht hervor, dass sich die künftigen Herausforderungen vor allem auf erschwinglichen Wohnraum, aber auch auf Korruption und Verkehrsüberlastung beziehen. Andererseits schätzen die Bürgerinnen und Bürger die technologischen Möglichkeiten in der digitalen Stadt Tallinn, insbesondere die Dienste zur Arbeitssuche und die E-Governance-Angebote wie die Online-Wahl.